Begriffserklärung
Das Paritäts- oder Parité-Gesetz stellt im Allgemeinen ein Gesetz zur Gleichstellung in unterschiedlichen Kontexten dar. In Bezug auf die aktuelle politische Debatte, geht es hierbei um die Gleichheit der Geschlechter. Dabei wird größtenteils die Geschlechtergleichstellung binärer Geschlechtsidentitäten im Parlament um politische Entscheidungsorgane diskutiert.
Nur wenige Parteien sehen erweiterte Regelungen für nichtbinäre Personen in ihren Wahlprogrammen vor.[1]
Der Hintergrund dieses Parteigesetzes ist die konstante Unterrepräsentanz von Frauen* in der Politik. Dafür spielen historische, soziale und wirtschaftliche Faktoren, wie die Rollenbilder und Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern und zeitliche oder materielle Ressourcen eine große Rolle. Chancengleichheit wird häufig mit tatsächlicher Gleichberechtigung gleichgestellt, was ein solches Paritätsgesetz in vielen Ländern regeln soll.[2] In Deutschland ist in den beiden u.g. Fällen ein Gleichstellungsgesetz von Frau und Mann bzw. Frau*Mann vorgesehen.
Liberté, Egalité, Parité
Belgien war europaweit das erste Land, das 1994 ein Parité-Gesetz eingeführt hat. 1999 wurde dann auch in Frankreich, nach vielen Jahren desaströsem Missverhältnis von Frauen* und Männern* in französischen Parlamenten, die Verfassung um Lionel Jospin von der Regierung geändert. Seit 2000 wurde das Parité-Gesetz immer wieder verändert. Bei Listenwahlen, Europa-, Kommunal- oder Regionalwahlen hat sich das Paritätsgesetz in Frankreich positiv ausgewirkt. Eine Reform von 2013 schrieb zudem eine vollkommene Parität in den Departementsräten fest. Bei den Parlamentswahlen waren die Fortschritte langsamer. Studien in Frankreich zeigen, dass ohne das Paritätsgesetz insgesamt viel weniger Frauen in der Politik in Frankreich wären, dennoch sind Spitzenpositionen nach wie vor eher von Männern besetzt. Genauso gilt dies auf kommunaler Ebene, bei Bürgermeister*innenämtern (16% Frauen*).[3]
Paritätsgesetz in Deutschland
Brandenburg
Kurz nach dem 100. Jubiläum der Einführung Frauenwahlrechts, am 31. Januar 2019, beschlossen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ein Paritätsgesetz für das Land Brandenburg. Dort sieht das Landeswahlgesetz seither vor, alle künftigen Landeslisten der Parteien, die sich zur Wahl stellen, nach einem Reißverschlussverfahren zu besetzen.
Wird gegen die Regelungen zur paritätischen Besetzung verstoßen, werden die Wahlvorschläge vom Wahlausschuss zurückgewiesen. Sollte keine paritätische Besetzung vorliegen, wird die Liste neu gebildet. Dabei müssen die letzten Plätze nicht geschlechterparitätisch besetzt werden. Dieses Gesetz tritt im Juli 2020 in Kraft und wird bei den Landtagswahlen zum ersten Mal angewandt.[4]
Bewerber*innen, die sich keiner binären Geschlechtsidentität zuordnen sollen dabei selbst entscheiden, ob sie für Männer*- oder Frauen*listen antreten möchten, was nach der Einführung unter anderem von der Piraten Partei in Brandenburg stark kritisiert wurde. Laut Thomas Bennühr, dem Landesvorsitzenden der Partei, diskriminiert das Gesetz Personen, die sich nicht-binären Geschlechtsidentitäten zuordnen.[5]
Wähler*innengemeinschaften und Parteien, die qua Satzung für nur ein Geschlecht offen sind, müssen in Brandenburg keine quotieren Wahllisten aufstellen.
Des Weiteren sieht der Gesetzesentwurf des Parité-Gesetzes in Brandenburg eine Quotierung der Direktwahlkanditaturen vor. Die 44 Wahlkreise sollen halbiert werden und in Duos aus Frau und Mann als Direktkanditierende aufgestellt werde. Das soll ermöglichen, dass die kandidierenden Duos nicht zusammen gewählt werden müssen. So können zwei Kanditat*innen aus unterschiedlichen Wahlvereinigungen oder Parteien gewählt werden, was die Wahlfreiheit der wahlberechtigten Personen erhöhen soll. Zudem sind laut Gesetzesvorlage Einzelbewerbungen weiterhin zulässig.
Thüringen
Auch in Thüringen soll das Parité-Gesetzes bald schon in Kraft treten. Ähnlich wie in Brandenburg wird auch dort eine alternierende Besetzung der Wahllisten mit Frauen* und Männern* vorgesehen. Einige Abweichungen des Thüringer Paritätsgesetzes sollen problematischen Aspekten des Brandenburger Gesetzes entgegenwirken.
Personen, die sich mit der Geschlechtsidentität divers identifizieren (und auch mit diesem Geschlecht im Personenstandsregister eingetragen sind) können sich in Thüringen unabhängig von der Reihenfolge der Listenplätze aufstellen lassen und müssen sich so weder für einen Frauen- noch einen Männerplatz entscheiden. Um die alternierende Besetzung von Männern und Frauen zu gewährleisten, soll nach der diversen Person eine Frau aufgestellt werden, wenn auf dem Listenplatz vor der Person mit diverser Geschlechtsidentität ein Mann steht und umgekehrt.
Einige weitere Sonderregelungen sollen möglichen Benachteiligungen entgegenwirken.[6]
Kritik & Anmerkung
Das Parité Gesetz wird immer wieder kritisiert und als unvollständig, bzw. verfassungswidrig erklärt. Die Kritik bezieht sich in erster Linie auf eine Einschränkung der Freiheit der Wahl oder der Parteien und einen teilweise starren Bezug auf das Geschlecht (was intersexuelle Personen teilweise zu einer Entscheidung für/gegen ein binäres Geschlecht zwingt). Zudem klagt der parlamentarische Beratungsdienst, dass das Parité-Gesetz nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Außerdem wäre das Gesetz auf Landesebene der falsche Ansatz, da so auf Kommunalebene weiterhin ein Geschlechterungleichgewicht herrschen würde, das Frauen* den Weg zur Landesebene so weiterhin erschweren würde.[7]
Dieser Beitrag enthält ausschließlich eigenrecherchierte Informationen (18.03.2020). Das Parité-Gesetz ist äußerst komplex, in vielen Aspekten (in den deutschen Gesetzesvorlagen) verwirrend und widersprüchlich. Dieser Artikel soll als Information dienen und weder eine positive noch negative Konnotation mit dem Thema darstellen.
[1]http://library.fes.de/pdf-files/dialog/15775.pdf
[2]https://www.frauenrat.de/wp-content/uploads/2019/05/Broschuere-MehrFrauenindieParlamente.pdf
[3]https://www.100-jahre-frauenwahlrecht.de/dossiers-frauen-und-politik/paritaet/frankreich-paritaet-in-der-politik/
[4]https://www.frauen-macht-politik.de/die-ersten-paritaetsgesetze.html
[5]https://www.queer.de/detail.php?article_id=33093
[6]https://www.frauen-macht-politik.de/die-ersten-paritaetsgesetze.html
[7]https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w6/gu/48.pdf
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